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Zukunftsfähigkeit sichern und die Chancen nutzen

Geschrieben von Dr. Bernd-Michael Brunck am 22. Juni 2020



In meinen bisherigen Beiträgen habe ich die operative Liquiditätssicherung durch Reduzierung der Netto-Cash-Abflüsse sowie die Erschließung neuer Liquiditätsquellen differenziert dargestellt. In diesem vierten und letzten Beitrag soll eine grundlegende Fragestellung beleuchtet werden: Ist mein derzeitiges Geschäftsmodell für die Zukunft tragfähig?
 



Wir müssen dafür zwei Phasen der Corona-Pandemie unterscheiden: die Cash-Klemme in Zeiten von Lock-Down und beim Wiederanlauf sowie andererseits mittel- und langfristige Liquiditäts- und Finanzierungsbedarfe.

Der akute Liquiditätsbedarf muss weitgehend aus eigenen internen Maßnahmen gedeckt werden:  Durch die Anpassung der Kosten und der Kostenstrukturen, die Aussetzung von Investitionen und Projekten, intensive Vertriebsmaßnahmen, Einsparungen im Beschaffungsbereich und evtl. noch assetbasierte Finanzierungen.

Selbst in einer aktuellen Notlage muss die Zukunftsfrage gestellt werden, es handelt sich nicht um ein „Luxusproblem“: Ist mein Geschäftsmodell für die vorhersehbaren Maßnahmen und / oder für die Zukunft überhaupt gerüstet? Es wird kaum ein Unternehmen geben, das ohne Veränderungen den Wiederanlauf und die Nach-Coronazeit für sich erfolgreich gestalten kann.  Sehen Sie dies aber nicht nur aus dem Blickwinkel der Bedrohung. Die Corona-Krise bietet die Chance, den Wandel im Unternehmen voranzutreiben!

Themen und Fragen dazu sind:

  • Welche Veränderungen auf das Geschäftsmodell sind unter Beachtung des durch die Corona-Krise deutlich beschleunigten digitalen Wandels eingetreten und ist das Unternehmen  zeitgemäß dafür aufgestellt?
  • Besteht noch die Hoheit über den Kunden oder haben andere Vertriebsformen den Kundenkontakt übernommen?
  • Werden die Produkte und Dienstleistungen in dieser Form und Menge noch nachgefragt werden?
  • Gibt es bedeutende Änderungen in den Qualifikationsanforderungen auf der Personalseite?
  • Gibt es neue Wettbewerber?
  • Von welchem Zeitraum muss ich ausgehen, bis wirtschaftlich wieder das Niveau von 2019 erreicht (12/24/36 Monate)?
  • Ist die gesamte Supply Chain auf die zukünftigen Anforderungen ausgerichtet oder gibt es „Show Stopper“? Besteht das richtige Verhältnis zwischen Inhouse und Outsourcing?
  • Ist die Fertigung den Herausforderungen der Industrie 4.0 anpasst und dem Marktumfeld entsprechend skalierbar?
  • Ist meine Organisation und sind deren Prozesse so agil gestaltet, dass auf alle Herausforderungen und Veränderungen schnell reagiert werden kann?

 

Auch extreme Optionen bewerten


Es sollte so ein Zielbild entwickelt werden, das zur Bewertung aller notwendigen Maßnahmen und Veränderungen herangezogen und auf dessen Basis ein Finanzierungsmodell gestaltet wird. Aber: auch alternative und ergänzende Handlungsoptionen, von „leicht“ bis „dakonisch“, sind in Betracht zu ziehen, insbesondere wenn die umzusetzenden Maßnahmen im Basis-Szenario komplex sind oder der Finanzierungsspielraum an seine Grenzen gerät:

  • Eingehen strategischer Beteiligungen / Partnerschaften in der horizontalen wie vertikalen Wertschöpfungskette
  • Outsourcing von Betriebsteilen zur Senkung der Fixkosten und der kritischen Masse („break even“)
  • Verkauf des Unternehmens bzw. Einbringen in eine neue Allianz
  • Fortführung sichern mit Hilfe des Schutzschildverfahrens.

Selbstverständlich wird jeder Unternehmer die letztgenannten Optionen zuerst einmal instinktiv ablehnen. Sie bieten jedoch Wege aus der Sackgasse, insbesondere für bedrängte Firmen auf der „Intensivstation“.

Wenn ein Geschäftsmodell doch nicht mehr zukunftsfähig ist oder aus eigener Kraft zukunftsfähig gemacht werden kann, muss dies akzeptiert und entsprechend gehandelt werden. Finanzielle Mittel dürfen nicht dazu verwendet werden, nur um Verluste weiter zu finanzieren.

Firmen, die nicht am Rande der Zahlungsunfähigkeit stehen und umfassende Änderungen ihres Geschäftsmodells finanzieren können, sollten „Umbau“-Optionen wie Outsourcing oder das Eingehen von Partnerschaften und strategischen Beteiligungen bewerten. Das kann die Vertriebsbasis erweitern, Prozesskosten durch gemeinsame Nutzung von Ressourcen vermindern, neue Bezugsquellen eröffnen und die Kostenstruktur variabilisieren. Insbesondere der gesamte Bereich Fertigung und Supply Chain muss den neuen Möglichkeiten durch vernetzte Beziehungen und Digitalisierung angepasst sein.
 

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Als (fast) „ultima ratio“ wird die Absicherung des Fortbestehens von Unternehmen selbst im Notfall drohender Zahlungsunfähigkeit mittels eines Schutzschirmverfahrens aktuell intensiv diskutiert und von namhaften Unternehmen wie den Handelskonzernen Karstadt-Galeria-Kaufhof und Esprit sogar schon angewendet. Dieses gerichtliche Sanierungsverfahren, bei dem explizit von der Fortführung des Unternehmens ausgegangen wird, bietet viele Vorteile:

Gläubiger können die Vertragsbeziehungen nicht sofort kündigen, die Unternehmensleitung behält das Heft des Handelns unter Begleitung durch einen Sachwalter weitestgehend in der Hand. Zur erfolgreichen Gestaltung gehören auch hierbei eine belastbare Darstellung der Finanzierung durch den Sanierungszeitraum sowie eine zielgerichtete Kommunikation mit Gläubigern. Kriegsentscheidend bei einer solchen „Totalrenovierung“ ist die Begleitung durch erfahrene Experten, die mit Engagement und Weitsicht fürs Unternehmen handeln und nicht nur „abwickeln“.
 

Fazit oder „Lessons Learned“?


Die wirtschaftlichen Krise aufgrund der Corona-Pandemie bedroht viele Unternehmen in ihrer Existenz. Das vorrangige Thema ist die Sicherstellung einer ausreichenden Liquidität durch Stärkung des operativen Cash Flows  und die Erschließung neuer Finanzierungsquellen. Wie dies erreicht werden kann, wurde in meinen vorangegangenen Beiträgen vertieft dargestellt.

Hinzukommen müssen eine Überprüfung und Anpassung des Geschäftsmodells. Schon jetzt hat die Corona-Krise einen erheblichen zusätzlichen Schub bei der Digitalisierung von Geschäftsmodellen und Prozessen gebracht. Wer dies nicht akzeptiert und aktiv annimmt, wird zusätzlich geschwächt aus der Krise herausgehen. Insoweit bietet die Krise auch eine Chance; die Veränderungsbereitschaft aller war nie größer als im Moment.

Und es gibt eine neue Normalität, nicht nur für CFOs. Die Veränderungsgeschwindigkeit und die Unberechenbarkeit haben nochmals zugenommen. Um in diesen Fährnissen dauerhaft bestehen zu können, muss die Widerstandskraft, die Resilienz des Unternehmens und seines Geschäftsmodells gestärkt werden. Dass dazu die Bildung ausreichender finanzieller Reserven notwendig ist, hat die Corona-Krise eindrucksvoll bewiesen. Werden wir eine Renaissance des Eigenkapitals erleben?

Um schnell Handeln und flexibel auf Veränderungen reagieren zu können, sind Prozesse und Unternehmensorganisation nach agilen Methoden zu gestalten. Bereichsübergreifendes Denken und Zusammenarbeiten ist in die Unternehmens-DNA zu implementieren.

Eine offene, verlässliche und transparente Kommunikation mit allen relevanten Stakeholdern (intern wie extern) ist ein Muss.

Und gestatten Sie mir bitte abschließend noch einmal den Hinweis, auch wenn ich damit „pro domo“ spreche: Erfahrene Experten auf Zeit können für den Umsetzungserfolg solcher Maßnahmen entscheidend sein. Schnelle Verfügbarkeit und objektives Handeln (auch gegenüber Bank-Partnern) sind dabei nur einige, aber wichtige Pluspunkte.
 

Die gesamte Beitragsreihe: Liquidität in disruptiven Zeiten



 

Zum Autor

Dr. Bernd-Michael Brunck ist als Interim Manager und Beirat / Aufsichtsrat tätig. Er besitzt langjährige Führungserfahrung in mittelständischen Unternehmen für Handel, Bauzulieferer und Elektronik.

Seine Leistungsschwerpunkte umfassen Restrukturierung, Sanierung und Turnaround Management mit Fokus auf die Schaffung von Transparenz in den Zahlen, von nachhaltigen schlanken Kostenstrukturen und zukunftsgerichteten digitalisierten Prozessen.

In mittelständisch geprägten Unternehmen übernimmt er Mandate als CFO/kaufmännischer Leiter, im Beteiligungscontrolling, für die Entwicklung von Kennzahlensystemen, die Unternehmungs(neu)finanzierung sowie Working Capital Optimierung. Dr. Brunck ist zudem Experte im Process Outsourcing und der Gestaltung von Shared Service Centern sowie der gesellschaftsrechtlichen Umgestaltung von Organisationen/Konzernen.
 

 

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Wolfgang Reim


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