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Interview mit Dr. Bernd-Michael Brunck: "Liquidität in disruptiven Zeiten"

Geschrieben von EO Executives am 2. Juni 2020



EO spricht mit Dr. Bernd-Michael Brunck, einem ausgewiesenen Experten für Restrukturierung, Sanierung und Turnaround Management.

 

Wolfgang Reim:
Herr Dr. Brunck, was ist für Sie als Finanzexperten das Besondere an der aktuellen wirtschaftlichen Situation?


Die Geschwindigkeit und die Wucht, mit der die Auswirkungen der Corona-Pandemie Unternehmen in fast allen Branchen getroffen haben. Das hat es zuvor noch nicht gegeben. Die Finanzkrise 2008 / 2009 erscheint dagegen irgendwie unwirklich, fast klein.

Nach aktuellen Untersuchungen sind rund 45% aller Mittelständler in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht, 50% aller Beschäftigten in unserem Land befinden sich in Kurzarbeit. Der Tourismus, das Hotel- und Gaststättengewerbe sind fast vollständig zum Erliegen gekommen. Große Handelskonzerne wie Esprit oder Karstadt Galeria Kaufhof versuchen sich mit Staatshilfen und dem Schutzschildverfahren über Wasser zu halten. Bei der Lufthansa spricht man über Teilverstaatlichung. Und jeden Tag gibt es neue Hiobsbotschaften. Das ist dramatisch.
 

Wolfgang Reim:
Was muss jetzt im Fokus stehen?


Die Sicherstellung der Liquidität natürlich! Denn die Rechnung ist einfach: Kein Absatz bedeutet keinen Umsatz und das bedeutet keine Einnahmen! Eine ausreichende Liquidität ist das existentielle Thema. Deswegen lautet das Motto zwangsläufig: „Cash before Profit“.

Es muss alles unternommen werden, um den Abfluss von Liquidität drastisch zu verringern. Und es müssen selbst bei geringer wirtschaftlicher Aktivität alle Cash-Quellen ausgeschöpft werden. Dafür muss jeder Stein im Unternehmen umgedreht werden, ohne jegliches Tabu.
 

Wolfgang Reim:
Was empfehlen Sie konkret?


Diese Zwangslage erfordert schnelles Handeln. Der erste Schritt muss die Erstellung eines detaillierten Liquiditätsplans für die nächsten 18-24 Monate sein. Nur damit wird sichtbar, wohin das Geld fließt und wie sich Sparmaßnahmen auswirken. Auch wird der benötigte Finanzierungsbedarf deutlich. Und unnötige Überraschungen werden vermieden.

Ohne dieses Instrument geht es nicht. Das klingt banal, aber die Erfahrung zeigt, dass viele, auch größere mittelständische Unternehmen dieses Instrument nicht nutzen. Das ist dann wie ein Nachtflug ohne entsprechende Hilfseinrichtungen. Und die Zeit drängt, so ein Liquiditätsplan muss in maximal 2‑3 Wochen stehen.
 

Wolfgang Reim:
Wie geht es weiter?


Wer es nicht schafft, Liquidität im Unternehmen zu halten, läuft in eine Sackgasse. Intensives und konsequentes Kostenmanagement, eine Reduzierung des Working Capital und schlimmstenfalls sogar eine kurzfristige Reduzierung von Investitionen sind angesagt. In der praktischen Umsetzung gehört hierzu auch, Ausgaben zu untersagen und dafür extrem niedrige Freigabegrenzen zu installieren.

Beim Working Capital sind alle Register des Forderungs-, Bestands- und Lieferantenmanagements zu ziehen, das heißt vor allem Forderungen energisch eintreiben, Zahlungsbedingungen und Kreditlimits anpassen, Über- und Altbestände abbauen, das Bestellverhalten dem Krisenmodus anpassen und Lieferverträge nachverhandeln. Das sind für viele partnerschaftlich agierende Mittelständler eigentlich schon Zumutungen, aber hier geht es oftmals ums Überleben.
 

Wolfgang Reim:
Bis jetzt haben wir über operative Maßnahmen zur Absicherung gesprochen. Welchen Beitrag muss die Finanzierungsseite leisten?


Wenn die Liquiditätsgewinnung aus dem operativen Cash Flow nicht ausreichend ist, müssen zwangsläufig weitere Quellen für frische Barmittel angezapft werden.

Die Finanzierung wird dafür in Ihrer Bedeutung und auch kurzfristigen Wirksamkeit von vielen Firmen unterschätzt. Sie stellt sehr viel mehr zur Verfügung als KfW-Darlehen für den Notfall. Dies beginnt mit der Absicherung oder Aufstockung bestehender Finanzierungsinstrumente und geht weiter mit der Gewinnung neuer Finanzierungsquellen. Aber vor allem hier gilt: ohne ein belastbares Finanzierungskonzept geht es nicht, es ist der Grundbaustein für erfolgversprechende Gespräche mit jedem Finanzierungspartner, ob langjährig verbunden oder neu angesprochen.
 

Wolfgang Reim:
Es gibt also viel zu tun und es besteht Handlungsdruck. Was empfehlen Sie den Unternehmen konkret?


Wer jetzt in der Cash-Klemme sitzt, muss doppelt effektiv und schnell handeln. Das übliche Delegieren an Einzelpersonen reicht nicht aus - nur ein agiles und multifunktionales Team, das die uneingeschränkte Unterstützung von Unternehmensführung und Unternehmenseignern hat, verspricht Erfolg bei der Vielzahl der Dinge, die zu leisten sind.

Dieses Team muss als bereichsübergreifende Task Force eingesetzt werden, dessen Besetzung, Erfahrung und Kompetenz der Bedeutung und den Anforderungen der Aufgabe entsprechen. Die obersten Führungsebenen müssen aktive „Treiber“ sein.

Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist zudem eine offene, transparente und glaubwürdige Kommunikation nach innen und nach außen. Diese schafft das Vertrauen, das in diesen unsicheren Zeiten für eine weitere gute betriebliche Zusammenarbeit und die Umsetzung von geradezu „kriegswichtigen“ Maßnahmen so wichtig ist.

 

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Wolfgang Reim:
Wo können Interim Manager erfahrungsgemäß unterstützen?


Vor allem aufgrund ihrer praktischen Erfahrung in ähnlichen Einsätzen können Interim Manager in dieser Problemsituation an vielen Stellen unterstützen: beim schnellen Auf- oder Ausbau der benötigten Instrumente - Stichwort Liquiditätsplan -  und natürlich bei der wirksamen Umsetzung von Kostensenkungsmaßnahmen, Working Capital-Optimierungen und Finanzierungskonzepten sowie der Prüfung von Geschäftsmodellen.

Selbst Firmen, die sich in einer fast ausweglosen Lage sehen, können Experten wie ich Hilfe bringen. Denn Interim Manager sind auf Zeit tätig und, nicht betriebsblind und agieren „unpolitisch“. Das bringt vor allem in Notlagen Tempo und Effektivität.

Wolfgang Reim:
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Brunck.
 

Die gesamte Beitragsreihe: Liquidität in disruptiven Zeiten


 

 

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Wolfgang Reim

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