Geschrieben von Herbert Fritsch-Richter am 7. Dezember 2021
Eine der vielen schönen Dinge in meinem Beruf ist, dass ich durch viele Gespräche mit Entscheidungsträgern sehr tiefe Einblicke bekomme, was Unternehmen zurzeit bewegt und wo der größte Handlungsbedarf besteht.
Im Allgemeinen zeichnet sich zurzeit eine dynamische Disruption in allen Sektoren und Unternehmensbereichen ab. Diese Entwicklung öffnet insbesondere im Jahr 2021 viele Chancen, bringt jedoch auch für Organisationen, die sich nicht rasch genug adaptieren können, große Risiken mit sich.
Als Personalberater bemerken wir zurzeit insbesondere einen starken Wandel bei leitenden Vertriebs-, Finanz- sowie IT-Positionen und haben in diesem Bereich zurzeit vermehrt Aufträge zur Suche nach Führungskräften und Spezialisten. Die Anforderungen an diese Positionen haben sich stark verändert und viele Unternehmen bemerken (leider oft sehr spät), dass hier (Personaltechnische) Anpassungen vorgenommen werden müssen.
Vertriebspositionen gehören mitunter zu den am schwierigsten zu besetzenden Positionen obwohl im Besetzungsprozess auf den ersten Blick eigentlich alles ganz einfach erscheint. Auf Vertriebspositionen (Sales Director, Key Account Management, Sales Management etc.) bewerben sich üblicherweise eine große Anzahl an Interessenten. Die Bewerbungsunterlagen sind, wie bei Vertriebspositionen üblich, sehr gut gestaltet und die meisten Kandidaten geben sich selbstbewusst, siegessicher und allwissend.
Die telefonischen und persönlichen Interviews laufen zumeist positiv und die Hiring Manager und Führungskräfte sehen hier im „Worst case“ sehr schnell einen „Perfect Match“. Wenn hier im Hiring-Prozess gewisse Punkte nicht detailliert geklärt werden, ist die Gefahr groß, dass es nach einer erfolgreichen Besetzung rasch zu ersten Fragezeichen kommt.
Da Vertriebsmitarbeiter der direkte Weg zu den Kunden sind, hat dies sehr rasch drastische Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg. Erschwerend kommt hinzu, dass je kleiner das Unternehmen desto entscheidender die Performance von einzelnen Vertriebsmitarbeitern ist. Eine einzige Fehlbesetzung kann hier insbesondere für kleine Unternehmen dramatische Konsequenzen haben.
Manche sprechen von der größten Revolution im Vertrieb seit der Erfindung des Telefons. Vertriebsleiter, Sales und Key-Account-Manager mit einer starken Social Media Präsenz und einer Personal-Brand, die wissen wie das Buying Center im Jahr 2021 „tickt“, haben einen wesentlichen Vorteil gegenüber dem klassischen „Handschlags-Verkäufer“.
Es sollte meiner Meinung nach, noch mehr Bewusstsein geschaffen werden, dass Social Media & Personal Branding nicht beim Marketing, sondern beim Vertrieb sein Zuhause hat. Marketing kann und sollte hier unterstützen, die Hauptverantwortung liegt hier jedoch beim Vertrieb. Unterstützung muss und soll jedoch vom Marketing eingefordert werden.
Es liegt in der Aufgabe der Vertriebsleiter & Sales-Direktoren ihre Mannschaft auf die neuen Möglichkeiten im Vertrieb bestmöglich zu schulen, vorzubereiten und als Best-Practice-Beispiel voranzugehen. Viele Führungskräfte haben dies bereits erkannt und unterstützen mit ihrem Social Media Auftritt das gesamte Unternehmen. Vertriebsmitarbeiter, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben und sich auf ihr bestehendes Netzwerk und bewährte Methoden verlassen, können nicht mehr an vergangene Erfolge anknüpfen.
Ein weiterer Faktor ist, dass KPI‘s zunehmend an Bedeutung verlieren. Selbst Sales Manager mit hohen „Cold-Call“ und E-Mail KPI‘s (laut aktuellen Studien liegt die Erfolgsquote hier bei ca. 2%) können mit den neuen Methoden im Vertrieb nur mehr schwer mithalten. Personalisierte Social Media Strategien (Posts, Artikel, hochpersonalisierte Anschreiben etc.) welche das Buying Center auf verschiedenen Unternehmensebenen auf sich aufmerksam macht, haben ein hohes Potential und sind mit klassischen Vertriebskennzahlen schwer zu messen.
Aus zahlreichen Gesprächen mit Entscheidungsträgern in Österreich bemerken wir, dass einige Unternehmen zurzeit bei Vertriebspositionen berechtigte Fragezeichen haben. Die vielen offenen Vertriebsvakanzen ergeben sich zumeist aus Nachbesetzungen, da Unternehmen mit der Performance nicht zufrieden sind.
Der Wunsch nach einer raschen Besetzung und eine hohe Anzahl an verfügbaren Low-Performance Kandidaten forciert hier jedoch laufend erneute Fehlbesetzungen. Ein kritischer Blick auf den Vertriebsleiter ist ebenfalls an dieser Stelle angebracht. Vertrieb ist eine komplexe Angelegenheit, die neben Durchhaltevermögen und Marktkenntnissen verschiedenste Hard und Soft-Skills erfordert. Nur die wenigsten beherrschen diese Disziplin im hart umkämpften Wettbewerb auf einem hohen Niveau.
Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung in der Besetzung von Vertriebspositionen, mehreren hundert Interviews und der Leitung von Vertriebsteams in der Industrie, in der Dienstleistung und im Personalwesen bin ich überzeugt davon, dass Vertriebspositionen zu den wichtigsten jedoch auch zu den am schwierigsten zu besetzenden Positionen in Unternehmen zu zählen sind.
Die Ausführung der Vertriebstätigkeit ist eine auf den 2ten Blick hochkomplexe Angelegenheit. Nur die wenigsten beherrschen diese Disziplin auf Dauer auf hohem Niveau. Die starke Wandlung der Vertriebsmethoden führt zu großen Chancen für Unternehmen die das hohe Potential früh genug erkennen.
E-Mail: Herbert.Fritsch-Richter@eoexecutives.com
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