Geschrieben von Stefan Müller am 6. Oktober 2022
Stefan Müller im Gespräch mit Dr. Heribert Decher:
In Zeiten steigender Energiekosten und hoher Kohlendioxidemissionen sind Unternehmen mehr denn je gefordert Maßnahmen zu ergreifen, die einerseits Kosten reduzieren und andererseits langfristig den Verbrauch von Ressourcen auf null senken.
Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen? Und welche Möglichkeiten bieten sich hierfür an?
Das Kurzinterview bezieht sich auf folgenden Beitrag von Dr. Heribert Decher:
Circular Economy und Sustainability: Verbesserungspotentiale in Unternehmen
Stefan Müller
Herr Dr. Decher, vor fast 30 Jahren wurde der Begriff Kreislaufwirtschaft geprägt und in Deutschland gesetzlich verankert. Der erste EU-Aktionsplan folgte erst 2015. Dementsprechend sehen wir in Deutschland eine werkstoffliche Recyclingquote bei Kunststoffen von bereits fast 50%, andere Länder in Europa hinken entsprechend stark hinterher. Die meisten Kunststoffverarbeitenden Unternehmen und Maschinenhersteller sind international tätig.
Wie sollten Unternehmen sich hinsichtlich Ihrer Organisations- und Personalplanung aufstellen, um den werkstofflich nutzbaren Anteil zu erhöhen?
Dr. Heribert Decher
Viele Kunststoffhersteller und -verarbeiter engagieren sich in Verbänden und in freiwilligen Initiativen, die in Deutschland und Europa ins Leben gerufen wurden. So gibt es Projekte in einzelnen Sektoren (Verpackung, Bau, Agrar) oder zu einzelnen Themenbereichen (Technologie, Material, Verarbeitung). Dabei fangen einige Initiativen im Unternehmen an, wie zum Beispiel Zero Pellet Loss oder Operation Clean Sweep und andere beschäftigen sich mit den Dienstleistungen zur Circular Economy, wie die Initiative Holy Grail 2.0.
Das kann auch durch Impulse von externen Experten unterstützt, bzw. angeschoben werden. Die Organisationsbereiche, allen voran Einkauf, Entwicklung und Produktion müssen ihre Kompetenzen im Hinblick auf die neuen Prozesse und die rechtlichen Vorgaben erweitern. Also ist jeder im Unternehmen gefordert, um das Thema Circular Economy und darüber hinaus Nachhaltigkeit umzusetzen, so dass im Wesentlichen die bestehende Organisation um einen Koordinator mit weitreichenden Befugnissen ergänzt, bestehen bleiben kann.
Stefan Müller
Obwohl diese Herausforderung nicht nur die Kunststoffverarbeitende Industrie betrifft, sondern für alle produzierende Industriezweige relevant ist (z.B. Demontierbarkeit von verklebten Produkten), bieten nur wenige Hochschulen dedizierte Studiengänge in diesen Bereichen an. Auch sind Unternehmen mit spezialisierten Mitarbeitern oder gar Abteilungen mit Fokus Umweltmanagement / Nachhaltigkeit noch weit in der Minderheit.
Wird hier nicht ein enormes wirtschaftliches Potential liegen gelassen?
Dr. Heribert Decher
Unternehmen achten in erster Linie darauf entsprechenden Gewinn zu erwirtschaften und gerade in diesen schwierigen Zeiten Liquidität vorzuhalten. Darüber hinaus sind Unternehmen damit beschäftigt die wachsende Zahl an rechtlichen Vorgaben und Unternehmerpflichten zu erfüllen. Das bindet Managementkapazität, die für die Arbeit an weiteren Nachhaltigkeitsthemen dann fehlt. Aus diesem Grund ist es sinnvoll zweigleisig vorzugehen.
Auf der einen Seite hilft es den Unternehmern, wenn externe Dienstleister mit entsprechendem Fachwissen und ganz unvoreingenommen die für das Unternehmen geeigneten Strategien und Initiativen vorschlagen und entsprechende Maßnahmenpläne zur Zielerreichung erstellen. Dies garantiert ein mit dem Management abgestimmten Start in die Thematik. Zum anderen sollten Unternehmen für die Besetzung neuer Positionen im technischen Bereich auf eine gute Ausbildung achten, die auch Querschnittsfunktionen im Blick hat, dazu gehören Material, Prozess und auch Betriebswirtschaftliche Kenntnisse.
Diese Mitarbeiter sind dann in der Lage entsprechend Ihrem Ausbildungsstand die angestoßenen Prozesse zu übernehmen und weiterzuführen. Darüber hinaus hilft es der Organisation durch entsprechende Sensibilisierung der Belegschaft und durch Schulungsmaßnahmen, ggfs auch durch Ergänzung der Incentivierung von Mitarbeitern, das Gefühl der Dringlichkeit zu erhöhen, um den Start in eine Kreislaufwirtschaft im Unternehmen weiter anzutreiben.
Die Geschäftsführung sollte nicht darauf warten, bis politische Entscheidungen in entsprechende Gesetze umgewandelt werden. Dies kann manchmal so schnell passieren, dass die Unternehmen dann Ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren, weil grundlegende Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit und Reduzierung der Emissionen nicht ergriffen wurden.
Stefan Müller
Sie persönlich haben sich auf Umweltmanagement spezialisiert mit dem Ziel, Unternehmen auf Projektbasis dabei zu helfen, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Sie beraten nicht nur, sondern setzen als Interim Manager bei Bedarf auch um.
Wie gehen Sie dabei vor?
Dr. Heribert Decher
Zunächst einmal ist es für mich wichtig zu verstehen, wieweit ein Unternehmen sich mit dem Thema Umwelt, Circular Economy und Nachhaltigem Wirtschaften beschäftigt hat, welche Initiativen gestartet wurden und welche Erfahrungen gemacht worden sind. Das Umweltmanagementsystem gemäß ISO 14001 und EMAS hilft dabei eine Ordnung in die gesetzlichen Grundlagen und bisherigen Maßnahmen zu bringen.
Weitere Bereiche, die essenziell für nachhaltiges Wirtschaften sind, und die ich aus meiner langjährigen Erfahrung als Geschäftsführer sehr gut kenne, sind Arbeitssicherheitsthemen und Unternehmensführungsthemen. Dazu informiere ich mich auf der einen Seite bei den Mitarbeitern durch Gespräche und Interviews und auf der anderen Seite in den einzelnen Bereichen wie Produktion, Entwicklung und anderen über den aktuellen Zustand und die laufenden Projekte.
Durch Kombination dieser teilweise subjektiven Eindrücke mit objektiven Kennzahlen ergibt sich ein gutes Bild über das Unternehmen und über die bereits gestarteten, sowie die noch zu initiierenden Maßnahmen.
Daraus erarbeite ich Vorschläge, die kurzfristige Abstellmaßnahmen beinhalten, wie zum Beispiel Reduktion von Verschwendung, Sortierung von Materialien oder Änderung von Abläufen. Zusätzlich gibt es häufig Vorschläge, die einen mittleren Zeithorizont überstreichen, wie ein behutsamer Eingriff in die Supply Chain, der Start neuer Initiativen wie Schulungsmaßnahmen oder freiwillige Verpflichtungen für eine Verbesserung der Umwelt und der Emissionsreduzierung oder der Optimierung von Produkten und deren Spezifikationen.
Sie erkennen schon, dass die meisten Vorschläge sowohl eine Umweltschutz- als auch eine Kostensenkungskomponente enthalten. Langfristige Ziele wie Verfahrensänderungen, Zertifizierungen, Investitionen oder Kooperationen gehören ebenfalls zu den Vorschlägen, die sich aus der Analyse ergeben können.
Alle Themen werden mit der Unternehmensführung auf deren Passung in die Unternehmensstrategie und in Bezug auf die Priorisierung der Maßnahmen hin besprochen, damit das Unternehmen und die Belegschaft nicht überfordert werden von den neuen und manchmal auch zusätzlichen Aufgaben. Ich begleite die Unternehmen von der Suche nach entsprechenden Potentialen bis hin zur Umsetzung der Maßnahmenpläne, der Schulungen und des Marketings und darüber hinaus auch bei der Nachschärfung von Zielen.
Stefan Müller
„Circular Economy“ und Nachhaltigkeit sind Themen – aufgrund der aktuellen Energiekrise noch einmal verschärft – die in Industrieunternehmen durch ganzheitliche Ansätze verfolgt werden müssen. Der Aufbau von Kompetenzen in allen Unternehmensbereichen, die Bereitstellung der Ressourcen sowie die strategische Fokussierung sind dabei die vorrangige Aufgabe der Unternehmensleitung.
Ein spezialisierter Berater bzw. Interim Manager kann eine wertvolle Unterstützung bieten, um ggf. bereits vorhandene Ideen oder begonnene Initiativen zur Reife zu bringen und erfolgreich umzusetzen.
Herr Dr. Decher, herzlichen Dank für Ihren wertvollen Beitrag zum Thema „Circular Economy & Sustainability“ und Ihren Impuls zu einer zielführenden Vorgehensweise bei der Umsetzung.
Stefan Müller
Partner, EO Executives Industrial
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